6.5.2009
Das EU-Parlament hat heute das 1 1/2 Jahre umstrittene Paket zu Reformen des Telekomunikationsmarktes in großen Teilen verabschiedet.
Dabei hat das Parlament überraschend gegen Netzsperren gestimmt, die bei wiederholten Rechtsverletzungen (z.B. zwei Urheberrechtsverletzungen) von einer unabhängigen Behörde (national geregelt) ausgesprochen werden sollte. Das Parlament besteht darauf, das ein Eingriff in die Grundrechte der Bürger nur nach einer Gerichtsentscheidung erfolgt. Damit sind für diesen Teil umfangreiche Nachverhandlungen im Kompromissauschuss notwendig, deren Ausgang noch völlig offen ist und sich bis Jahresende hinziehen werden.
Im Bereich der Netzneutralität ist das Parlament von seiner bisherigen Haltung, wonach "der Zugang der Nutzer zu bestimmten Arten von Inhalten oder Anwendungen nicht in unzumutbarer Weise beschränkt" werden sollte, abgerückt. Jetzt müssen Anbieter die Nutzer nur noch über das eingesetzte Verfahren zum "Verkehrsmanagement" informieren. Damit können Internet-Provider z.B. Verfahren zum Filesharing oder Internet-Telefonie ausbremsen. Einzig der Markt soll die Nutzer hier schützen.
Andere Regelungen stärken dagegen den Verbraucherschutz:
Im Marketingbereich wird das Unterdrücken des Absenders bei E-Mails, SMS und MMS (sowie vergleichbaren Diensten) verboten. Dies gilt auch für öffentlich zugängliche, private TK-Netze wie Hochschulnetze aber auch für soziale Netzwerke wie StudiVZ oder Facebook.
Applikationen, die auf persönliche Daten zugreifen, die auf Festplatte oder USB-Stick gespeichert sind und "nach Hause telefonieren" wollen, müssen zukünftig nach dem Opt-In Verfahren den Anwender um Erlaubnis bitten. Dabei soll jedoch die Voreinstellung im Browser zur Akzeptanz von Cookies als Zustimmung ausreichen, was meine Befürchtungen » doch etwas entkräftet. Diese schöne Regelung soll jedoch nicht für Rich-Media-Anwendungen wie Flash oder Silverlight gelten, die eine gesonderte Zustimmung des Nutzers einholen müssen. Das wird Adobe und Microsoft nicht gerade freuen, denn es bedeutet eine weitere Verschiebung hin zu Techniken wie AJAX, die diese Anwendungen umgehen.
Dazu gibt es Regelungen zur Nutzung der "digitalen Dividende" die sich aus der Abschaltung analoger Funkfrequenzen ergibt. Hier werden große Anbieter bevorzugt, aber auch sichergestellt, das niemand (auch nicht kleine Wettbewerber) von der Nutzung ausgeschlossen wird. Dabei ist es ein hehres Ziel, innerhalb von fünf Jahren sicherzustellen, das 75% der Bevölkerung mit Datenübertragungsraten von mehr als 50 Mbit/s ausgestattet werden.
Hier eine erste persönliche Einschätzung zu diesem Thema »